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# Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz im Webdesign – zwischen Automatisierung und Ästhetik

Sandro Vogel Webflow-Developer Federwerk Design Berlin

Von Sandro Vogel

Webflow Developer bei
Federwerk Design

Veröffentlicht am:

20.08.2024

KI im Web: Ein Wendepunkt im digitalen Design

Webdesign steht an einem Kipppunkt. Was früher als handwerklich, kreativ und manchmal auch mühsam galt, wird zunehmend automatisiert. Künstliche Intelligenz gestaltet heute in Sekunden, was Designer früher über Tage entwickelt haben.

Doch mit der Geschwindigkeit kommt auch eine neue Fragestellung:

Was macht Design eigentlich aus – wenn nicht mehr der Mensch, sondern ein Algorithmus die Form bestimmt?

In diesem Artikel geht es um die Verantwortung, in einer Zeit technischer Omnipräsenz gestalterisch bewusst zu bleiben.

Zwischen Faszination und Zweifel

Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich das erste Mal eine mit KI gestaltete Website sah. Der Aufbau war logisch, die Farbwahl stimmig, die Typografie präzise gesetzt.

Aber je länger ich hinsah, desto leerer fühlte sich das Ergebnis an. Es war... korrekt.
Aber auf eine gewisse Art zu korrekt.

Somit kamen viele Gedanken auf. Wie viel Gestaltung und Kreativität liegt wirklich in einem Algorithmus? Und wo beginnt das, was man nicht berechnen kann – Intuition, langjährige Erfahrung und zwischenmenschliche Beziehungen?

Heute, als Webflow-Designer bei Federwerk, arbeite ich regelmäßig mit KI – aber mit einer klaren Aufgabenteilung: Sie darf unterstützen, inspirieren, analysieren. Aber sie ersetzt nicht die Essenz eines guten Designs: Bewusstsein, Kontext, Gefühl.

Dieser Artikel ist mein Versuch, genau das zu differenzieren: Was KI leisten kann – und wo sie (noch) an ihre Grenzen stößt.

Was KI heute wirklich kann – und was nicht

Viele KI-Tools im Designbereich sind beeindruckend. Sie liefern Layout-Vorschläge, analysieren Heatmaps, erzeugen dynamische Farbschemata oder texten auf Knopfdruck.

Beispiele aus der Praxis:

  • Framer AI erstellt klickbare Landingpages in Sekunden.

  • Galileo AI nutzt Prompts, um visuelle Screens für Apps zu entwerfen.

  • Midjourney & DALL·E erzeugen Bildwelten, die früher Tage an 3D- oder Fotoproduktion gebraucht hätten.

  • ChatGPT unterstützt bei UX-Microcopy, Ideenfindung oder Sitemap-Strukturierung.

Aber: All das funktioniert nur dann gut, wenn der Kontext klar ist. Wenn Zielgruppen bekannt sind. Wenn Ästhetik verstanden wurde.

Und genau da liegt die Grenze:
KI kann gestalten. Aber sie versteht nicht, warum etwas funktioniert.

Sie erkennt Muster – keine Absicht.
Sie produziert Varianten – aber keine individuelle Ästhetik.
Sie kalkuliert – aber sie entwirft nicht.

Was gutes Design ausmacht (und warum KI es nicht leisten kann)

Gutes Design ist kein Produkt, sondern ein Prozess. Es lebt von Reibung, von Entscheidungen, von Umwegen.

Von dem Moment, in dem sich etwas richtig anfühlt – obwohl es vielleicht gegen jede Regel verstößt.

Aspekte, die KI nicht erfassen kann:

  • Emotionale Tonalität in Text und Bild

  • Visuelle Ironie oder kulturelle Codes

  • Intuition für Timing, Gewichtung, Raum

  • Die Entscheidung gegen Perfektion

KI ist (noch) keine Intelligenz im emotionalen Sinne. Sie kann Daten analysieren, Wahrscheinlichkeiten berechnen – aber sie kennt keine Zielgruppe wirklich, sie hat kein ästhetisches Gespür.

Ein Design, das nur auf Statistiken basiert, wirkt glatt. Aber nicht zwingend glaubwürdig.

Design, das man spürt – oder eben nicht

Besucher merken mehr, als viele denken. Auch wenn sie keine Designer sind, haben sie ein feines Gespür für Qualität – und für Authentizität.

KI-generierte Designs wirken oft auf den ersten Blick überzeugend: klar strukturiert, technisch sauber, visuell ansprechend. Doch bei genauerer Betrachtung fehlt etwas. Die Persönlichkeit. Die Sprache. Die Überraschung.

Besucher spüren oft unbewusst, dass sie sich in einem digitalen Raum befinden, der zwar professionell wirkt – aber beliebig ist. Gerade im B2B-Bereich, in der Startup-Kommunikation oder bei erklärungsbedürftigen Produkten kann das ein echter Nachteil sein. Vertrauen entsteht nicht durch makellose Layouts sondern durch Einzigartigkeit und Charakter.

KI als Werkzeug – nicht als Weltanschauung

Trotz aller Grenzen: KI ist ein mächtiges Werkzeug. Und sie wird bleiben. Die Frage ist nur: Wie bewusst setzen wir sie ein?

Einsatzgebiete, die Sinn ergeben:

  • Wireframe-Generierung für schnelles Prototyping

  • Text-Optimierung auf Lesbarkeit und Tonfall

  • Usability-Analysen basierend auf Heatmaps

  • Moodboards & visuelle Reize mit Midjourney

  • Coding-Snippets & Troubleshooting via GPT

All das spart Zeit – aber ersetzt keine Designentscheidung.

Der neue Luxus heißt Individualität

Je mehr automatisiert wird, desto wertvoller wird das, was nicht reproduzierbar ist:
Markenidentität und Mut zur Abweichung.

Unternehmen, die das erkennen, setzen bewusst auf Differenzierung:

  • Sie zeigen Ecken und Kanten

  • Sie lassen Gestaltung Teil ihrer Kultur sein

  • Sie investieren in Originalität, statt auf Geschwindigkeit zu setzen

In einer Welt, in der jede Website gleich aussieht, ist Einzigartigkeit ein Wettbewerbsvorteil.

Mensch + Maschine = Zukunft

Die eigentliche Stärke von KI liegt in der Ergänzung – nicht im Ersatz. Sie hilft, schneller zu iterieren, Fehler zu finden, Ideen zu sammeln. Aber das finale Ergebnis sollte immer von einem Menschen kuratiert und verantwortet werden.

So kann die Zusammenarbeit gelingen:

  • Nutze KI für den Start – nicht für die Fertigstellung

  • Nutze KI als Sparringspartner, nicht als Autorität

  • Kombiniere Datenlogik mit menschlicher Intuition

  • Baue eine eigene Handschrift auf, die über Templates hinausgeht

  • Setze klare Grenzen, wo KI aufhören soll

KI als Werkzeug – nicht als Shortcut

Ich sehe KI nicht als Abkürzung. Sondern als Erweiterung meines Werkzeugkastens.

In meinem Alltag bei Federwerk nutze ich generative Tools gezielt – aber niemals blind. Beispielsweise verwende ich ChatGPT, um erste Textideen für Website-Strukturen zu entwickeln – besonders in frühen Konzeptphasen. Das beschleunigt den Einstieg, hilft beim Ordnen und bringt frische Perspektiven.

Für repetitive Aufgaben wie kleine Textkorrekturen, Sitemap-Vorschläge oder Meta-Beschreibungen ist KI enorm effizient – besonders in Verbindung mit Systemen wie Webflow.

Aber: Kein einziger Text geht unbearbeitet live. Keine visuelle Komponente wird übernommen, ohne dass ich sie durch mein eigenes ästhetisches Raster ziehe. Ich nutze KI, um zur Ideenfindung und Strukurierung – nicht um Verantwortung abzugeben.

Zukunftsausblick – wohin sich Webdesign entwickeln könnte

Webdesign wird sich weiter verändern. Wahrscheinlich radikal.
Aber es gibt starke Hinweise darauf, dass gute Gestaltung immer menschlich bleiben wird.

Einige Aspekte sind:

  • Marken suchen nach Tiefe, nicht nur Performance

  • Nutzer erkennen Unterschiede in Tonalität und Stil

  • Der Bedarf an Orientierung & Vertrauen steigt

Was heute funktioniert, könnte morgen irrelevant sein. Aber: Eine gute Idee. Eine klare Haltung. Ein mutiges Design. Das bleibt.

Fazit

KI als Partner, nicht als Ersatz

Gutes Webdesign entsteht nicht durch KI – sondern mit ihr.
KI kann inspirieren, analysieren, beschleunigen. Aber echte Gestaltung braucht Mut. Erfahrung. Zeit.

Wenn du deine Website, dein Produkt oder deine Marke gestalten lässt – frag dich nicht nur, ob es effizient ist. Frag dich, ob es dich spürbar macht.Denn Maschinen verstehen keine Bedeutung. Menschen schon.